Wie guter Espresso entsteht

Seit 35 Jahren verkauft und repariert Davide Costanza die sensiblen Geräte, aus denen so guter Espresso wie in Italien fließt. Er weiß, was es braucht, damit das gelingt.

Süddeutsche Zeitung, 04.02.2024 

Die silberne Maschine vibriert und plötzlich: Dickflüssig und haselnussbraun fließt der Espresso in die Tasse. Davide Costanza, 52, wartet auf das Endergebnis. Innerlich vibriert er vermutlich genauso wie die Siebträgermaschine der Marke "Bezzera", die vor ihm steht. Costanza und sein Team haben das Gerät repariert. Nun also der Testdurchlauf, ob wieder alles funktioniert. "Così, so muss das sein," sagt er. Test bestanden.

"Einen guten Espresso erkennt man daran, dass er wie ein kleiner Shot ist, in seiner Konsistenz blutähnlich, also sehr dick. Er sollte fast schon schokoladig aussehen und cremig sein." Costanza spricht von Espresso, als wäre das Getränk eine kostbare Flüssigkeit. Und diese fließt bei ihm ausschließlich in kleine, dickwandige Tassen. Idealerweise sind sie vorgewärmt.

Davide Costanza verkauft und repariert in seinem Fachgeschäft im Münchner Schlachthofviertel Espressomaschinen. Etwa 1000 Reparatur-Anfragen erreichen ihn jährlich. Die Preise für eine neue Siebträgermaschine liegen, je nach Ausstattung, bei etwa 500 bis 3000 Euro. Je mehr die Maschine kann, desto höher der Preis. "Meine Kunden kommen aus München und dem Umland. Es sind Menschen, die Espresso lieben und sich für Italien begeistern", erzählt er. Darunter seien Opernsänger Jonas Kaufmann, Comedian Michael Mittermeier, Anwaltskanzleien und Münchner jeder Altersgruppe. Sie wollen Espresso trinken wie in Italien. Nur eben bei sich zu Hause. Das darf dann auch mehr kosten.

Eine Siebträgermaschine ist eine Anschaffung, die langlebig sein sollte. Warum landen sie dennoch in der Werkstatt? Der Grund, sagt Costanza, sei fast immer Kalk. "Die Geräte verkalken. Man sollte auf keinen Fall selbst daran herumschrauben oder sie entkalken." Das gehe meistens schief. Es sei wichtig, die Maschine bei einem Fachhändler zu erwerben und sich beraten zu lassen, sagt er. "Das Münchner Leitungswasser und eine Espressomaschine vertragen sich nicht gut." Daher empfiehlt er die Verwendung von stillem Wasser aus der Flasche, das weniger Kalk enthält und weniger hart ist als Leitungswasser.

Auf dem Tisch in Costanzas Werkstatt liegen verschiedenste Teile aus dem Innenleben der Geräte. "Für jede Maschine haben wir Ersatzteile und Zubehör da. Dichtungen, Manometer, Pressostate, Brühköpfe." In blauen Kisten liegen Kleinteile für italienische Siebträgermaschinen sortiert: La Pavoni, Gaggia, Isomac, Stone Espresso und andere. Zu fast jeder kann Costanza etwas erzählen. Bezzera zum Beispiel. "Einer der ältesten Espressomaschinen-Hersteller Italiens. Seit 1901 gibt es das Unternehmen", sagt Costanza. Luigi Bezzera gilt in Italien als einer der Pioniere der ersten Stunde der Espressomaschinen - 1906 zeigte er seine Maschine bei der Weltausstellung in Mailand.

Schon seit 35 Jahren repariert Davide Costanza Espressomaschinen. Er kommt aus Bari, ist gelernter Elektroniker. Mit seinem Bruder führte er dort einen Reparatur-Service. Vom Glätteisen bis zur Kaffeemaschine reparierten sie alles. Doch es wurde ihm zu eng in Apulien. "Ich wollte Neues sehen, eine neue Sprache lernen", sagt er. Also zieht er 2005 nach Berlin und eröffnet ein Geschäft. "Das lief gut, aber nicht so gut, wie ich es wollte." Costanza bezeichnet sich als Perfektionisten. Hat er eine Vision, arbeitet er hart daran, sie zu verwirklichen. Er denkt an München und zieht um. Hier läuft es viel besser als in Berlin.

Seit elf Jahren führt Costanza nun den Laden in der Thalkirchner Straße. In Berlin seien die Leute schnell mit einem mittelmäßigen To-go-Kaffee zufrieden, findet er. In München lege man mehr Wert auf das italienische Lebensgefühl, das auch mit gutem Espresso verbunden sei. Dieses italienische Flair möchte sich der Münchner mit nach Hause nehmen. "In Italien geht man in die nächste Bar. Hier aber wird das Kaffeetrinken in den eigenen vier Wänden zelebriert." Die Bereitschaft, für den Genuss daheim einiges Geld auszugeben, ist in München jedenfalls da, weiß Costanza.

In Italien besitzt wohl jeder Haushalt eine Bialetti. Denn zu Hause trinken die meisten Italiener ihren caffè aus einer zusammenschraubbaren caffettiera, also einer Kaffeekanne, die man in der Regel auf dem Herd erhitzt. Einen Espresso, einen caffè espresso, wenn man genau sein möchte, genießt man meistens außer Haus. Strenggenommen ist die Bezeichnung "Espressokanne" für die Bialetti im Deutschen also irreführend. Natürlich ist sie günstiger als eine Siebträgermaschine. Allerdings, und hier liegt der Unterschied: Die Kanne erzeugt einen viel niedrigeren Druck als eine Maschine. Auch die Crema verflüchtigt sich schneller.

Es gibt ein paar entscheidende Regeln für guten Espresso

"Die Leute möchten Espresso wie in Italien zubereiten. Ich zeige ihnen, wie einfach das mit einer Siebträgermaschine geht." Einfach? Na ja, fast. Man muss halt ein paar Dinge beachten: Druck, Temperatur, Durchlaufzeit, Mahlgrad des Kaffeepulvers und die Dosierung. Und dann gibt es da noch die goldene Regel für Espressomaschinen, sie lautet: 25 Milliliter Wasser, erhitzt auf 88 bis 94 Grad, plus mindestens neun Bar Druck, plus sieben Gramm Kaffeepulver, plus 25 bis 30 Sekunden Durchlaufzeit. Daraus wird eine Tasse perfekter Espresso. So gibt es jedenfalls das "Istituto Nazionale Espresso Italiano" vor.

"Das sind Richtlinien, die man tatsächlich beachten sollte", sagt Costanza. Wichtig seien zudem die Frische (nicht älter als zwei Monate) und die Qualität der Kaffeebohnen sowie die Röstung. In Italien werden meist dunklere Röstungen als hierzulande bevorzugt. Auf Münchner Röstereien angesprochen, weicht Costanza aus. Er kenne sie natürlich nicht alle, aber bislang habe noch kein Produkt wirklich seinen Geschmack getroffen, sagt er mit einem Augenzwinkern.

Macht am Ende dann die Maschine den guten Espresso? Oder der Kaffee? "Das ist, ähnlich wie beim Kochen, ein Gleichgewicht aus mehreren Variablen. Je nachdem, welche Kaffeesorte- und mischung man verwendet, muss das Wasser eine bestimmte Temperatur haben", sagt Costanza. Auch die Art des Kessels der Maschine sei entscheidend. Die Eigenschaften der verwendeten Bohnen und die der Materialien müssten mitgedacht werden. "Es ist eine riesige Welt, die es da zu entdecken gibt." Oder eine Wissenschaft? Es gibt wohl nicht nur eine Antwort. Eine Portion Übung im Umgang mit der Maschine gehört in jedem Fall dazu.

Auf Youtube gibt Costanza Tipps rund um das Thema. Sein Kanal hat knapp 20 000 Abonnenten. In einem Video, mehr als zehntausendmal geklickt, bereiten Costanza und ein Mitarbeiter zur gleichen Zeit Espresso zu. Costanza nach Gefühl, sein Kollege mit Profi-Zubehör und genauen Messungen. Am Ende haben beide einen cremigen Espresso in der Hand. Ihr Fazit: Espressobrühen kann man leidenschaftlich machen oder es wissenschaftlich angehen.

Die Deutschen rücken immer weiter ab vom Filterkaffee

Wenn seine Kunden in der Zubereitung eine Leidenschaft entdecken, freut das Costanza besonders. In den vergangenen 20 Jahren seien die Deutschen näher an die italienische Kaffeekultur gerückt, weg vom Filterkaffee. Und noch eine Beobachtung hat er gemacht: Meist sind es die Männer, die sich für Siebträgermaschinen interessieren. "Es gibt auch Frauen, die sich da reinfuchsen können. In der Regel sind sie aber pragmatischer. Sie wissen, dass sie ein Gerät wollen, das guten Espresso und vielleicht noch Cappuccino machen kann. Ohne viel Schnickschnack. Männer interessieren sich hingegen genauer für die Vorgänge, die in dem Gerät passieren."

Costanza sagt, mit Espresso verhalte es sich ähnlich wie mit Wein. Ein Getränk, das Freunde zusammenbringt. Der aus Neapel stammende Schriftsteller Luciano De Crescenzo sagte zu Lebzeiten einmal: "Il caffè è una scusa. Una scusa per dire a un amico che gli vuoi bene." Kaffee ist eine Ausrede, um einem Freund zu sagen, dass man ihn gernhat.

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Die Pasta-Schwestern, Süddeutsche Zeitung

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Die Chiemseefischer, "Bayern. Das Magazin"