Die Pasta-Schwestern

Natalie und Marisa Bruno kochen als "Le Sorelle" traditionelle Rezepte aus ihrer Familie. Sie wollen italienisches Lebensgefühl und Genuss vermitteln. Das Besondere: Die beiden kommen nach Hause.

Süddeutsche Zeitung, 10.10.2023 

Ihre Hände wissen genau, was sie tun. Sie folgen einem alten Rhythmus. Natalie Bruno, 33, und ihre Schwester Marisa Bruno, 31, formen mit sanftem Druck eine Kuhle in ein daumengroßes Stück Teig. Streichen, dann behutsam wegstupsen. Streichen, wegstupsen. Wieder von vorne. Eine Bewegung, die schon ihre Großmutter so gemacht hat. Kügelchen für Kügelchen. Immer wieder, bis der ganze Teig verarbeitet ist und die Cavatelli, eine Pastasorte mit kleiner Aushöhlung in der Mitte, fertig geformt sind.

"Wir haben schon als Kinder beim Kochenmitgeholfen. Heute ist es eine unserer großen Leidenschaften", sagt Natalie Bruno. So groß, dass die beiden Schwestern aus Italien Anfang des Jahres beschlossen: Sie kochen jetzt nicht mehr nur in den eigenen vier Wänden, sondern auch in fremden Küchen. Als "Le Sorelle" (deutsch: die Schwestern) kommen sie mit ihren italienischen Gerichten zu anderen nach Hause. Direkt in den Küchen der Kundinnen und Kunden bereiten die beiden mit frischen Zutaten italienische Gerichte zu.

Natalie und Marisa Bruno sind in Vasto in den Abruzzen aufgewachsen. Da ihre Mutter Deutsche ist, verbrachten sie ihre frühe Kindheit im Schwarzwald. Mitte der Neunzigerjahre zog die Familie zurück in die Heimat des Vaters, wo die Schwestern zur Schule gingen und studierten. Sie sind zweisprachig und mit der deutschen und italienischen Kultur groß geworden. Seit 2020 wohnen sie nun zusammen in München. Natalie Bruno arbeitet in einem Architekturbüro, Marisa Bruno ist angehende Pharmazeutin. Sie haben Jobs, die fordernd sind. Gekocht wird von "Le Sorelle" im Nebenerwerb an freien Abenden und an den Wochenenden.

Ist das nicht anstrengend? "Es macht uns so große Freude, dass wir das Projekt gar nicht richtig als Arbeit wahrnehmen", sagt Marisa Bruno.

Warum aber kochen sie bei den Menschen zuhause und nicht in einem Restaurant? Sie lachen und drücken sich vor einer klaren Antwort, wohl weil sie nicht als Köchinnen unprofessionell wirken wollen. Aber mit ihren akademischen Berufen sind die beiden zufrieden. Dennoch macht es ihnen Spaß, in Kontakt mit Menschen zu kommen und ihre Leidenschaft fürs Kochen zu vermitteln. Meistens werden sie für einen besonderen Anlass gebucht, zum Beispiel ein Geburtstagsessen. "Wir wollen, dass unsere Kunden möglichst wenig Aufwand haben und sich vollkommen auf den Abend mit ihren Gästen konzentrieren können", sagt Natalie Bruno. Das Menü stimmen sie und ihre Schwester vorher gemeinsam mit den Gastgebern ab, sie empfehlen auch passende Weine. "Und wir hinterlassen die Küche dann auch wieder ordentlich." Ein Menü von "Le Sorelle" kostet pro Kopf zwischen 30 und 50 Euro, je nach Ansprüche und Arbeitseinsatz der Gerichte.

An einem Samstagvormittag kann man den deutsch-italienischen Köchinnen beim Formen der Cavatelli über die Schultern schauen. Ihre Eltern sind gerade zu Besuch in München. Sie dürfen die Küche von Bekannten nutzen, ihre eigene ist zu klein. Die Pasta wird es zum Mittagessen mit einer Tomatensauce mit Sardellen und Rosinen geben. Marisa hat eine beige-weiß gestreifte Schürze und Natalie eine mit rot-weißen Streifen umgebunden. "Die Schürzen tragen wir immer, auch damit man sich besser merken kann, wer wer ist", erklärt Marisa Bruno. Die beiden Frauen sehen einander sehr ähnlich. Beide sind schlank, haben dunkelblonde schulterlange Locken und blaue Augen. Beim Kneten, Portionieren, Ausrollen und Formen des Teigs sind sie so eingespielt, dass sie sich kaum absprechen müssen. Das ist gelebte Geschwisterliebe.

Für das Gelingen von handgemachter Pasta, sagt Marisa, sei die Auswahl des richtigen Mehls entscheidend. Der Teig für die Cavatelli werde mit Wasser und "Semola di grano duro", Hartweizenmehl, gemacht. Für Anfänger, die sich zum ersten Mal an frischer Pasta, etwa Tagliatelle, versuchen, empfiehlt sie, ein Teigrezept mit Eiern und Weichweizenmehl Type 550, weil die Masse einfacher zu verarbeiten sei.

Die Schwestern zelebrieren die Langsamkeit und den Genuss beim Kochen. Sie bereiten prinzipiell alles von Hand zu und achten darauf, dass sie nur wirklich frische und auch saisonale Zutaten verwenden. "Die Rezepte stammen aus unserer Familie oder von Freunden aus Italien," sagt Natalie Bruno. Das Schöne daran, bei den Menschen daheim zu kochen, sei auch, dass man fast immer in gute Gespräche verwickelt wird. Manchmal ist es so entspannt mit den Leuten, dass sie sich wie bei guten Freunden fühlen. Und überall werden sie nach Rezepten und Tipps gefragt. Doch sie kochen nicht nach strengen Regeln, eher nach Gefühl. In der traditionellen italienischen Küche finde man selten genaue Maßeinheiten, sagt Natalie Bruno. Ein paar Tipps aber geben die Schwestern immer gerne weiter. Bei Pasta raten sie beispielsweise, nie das komplette Nudelwasser wegzuschütten, sondern immer etwas davon beim Abgießen aufzufangen. Das könne man gut mit der Sauce vermengen, die Stärke in der Flüssigkeit hilft, sie mit der Pasta zu verbinden. "Die darf auch ruhig mit der Sauce noch auf geringer Stufe kurz mitköcheln, damit sie das Aroma richtig aufnehmen kann", sagt Marisa Bruno.

"In Italien kocht man viel öfter zuhause."

Während die Cavatelli nach dem Formen für etwa fünf Minuten gekocht werden, erzählt sie von ihrer italienischen Heimat: "In Italien gehen die Menschen weniger oft im Restaurant essen als in Deutschland. Man kocht viel öfter zuhause." Vor allem am Sonntag komme man mit der Familie oder guten Freunden zusammen - und isst. "So kennen wir das und dieses Gefühl wollen wir mit Le Sorelle ein wenig weitergeben." Die Schwestern fühlen sich in München, das ja oft als die nördlichste Stadt Italiens betitelt wird, sehr wohl. Sie mögen das viele Grün hier, vermissen aber die kleinen Cafés und Läden in Italien.

Gelingen hier alle italienischen Gerichte eigentlich genauso gut wie jenseits des Brenners? Das hänge stark von den Zutaten ab. "Wir haben herumprobiert, natürlich gibt es Lebensmittel, die hier anders schmecken oder schwieriger zu bekommen sind als in Italien. Wir glauben, dass es wichtig ist, mit dem zu kochen, was es lokal gibt." Die meisten Zutaten kaufen sie bei einem italienischen Feinkost-Händler in Pasing.

Kochen benötigt Zeit. Die hat man nicht immer im Alltag. Natalie und Marisa Bruno haben einen Tipp für ein schnelles Gericht, das sie zubereiten, wenn der Tag lang war und wenig Energie zum Kochen übrig ist. "Wir machen dann "Uova in purgatorio" - das geht schnell und man kann kaum was falsch machen", sagen sie. Uova in purgatorio, Eier im Fegefeuer. Man braucht: Tomatensauce mit etwas Knoblauch, Petersilie, Olivenöl und nach Geschmack Salz und Pfeffer. In einer Pfanne macht man in der Sauce Platz für zwei bis drei Eier. Dann lässt das Ganze bei geringer Hitze köcheln, bis die Eier stocken. Klingt simpel, ist es auch. Italienisches Shakshuka, wenn man so möchte.

Die Cavatelli sind jetzt fertig, die Tomatensauce mit den Sardellen und Oliven kommt dazu. Jeder Teller wird abschließend mit Basilikum garniert. In dem Pasta-Gericht steckt am Ende viel von der vielleicht wichtigsten Zutat: Amore.

Zurück
Zurück

Italo-Disco in München, Süddeutsche Zeitung

Weiter
Weiter

Wie guter Espresso entsteht, Süddeutsche Zeitung